Kennt ihr auch diese Filme, mit denen ihr total vertraut seid, obwohl ihr sie nie - oder erst sehr viel später im Leben - gesehen habt?
Als ich in den 90ern Krieg der Sterne zum ersten Mail im Fernsehen (Sat.1) sah, kannte ich die Handlung die meisten Dialoge in- und auswendig. Jahre zuvor las ich im Kinoprogramm des Flensburger Tageblatts, dass das Imperium zurückschlug, jedoch war mein Vater leider dagegen, dass sein kaum Sechsjähriger sich etwas mit "Krieg" im Titel anschaute. So blieben mir viele Jahre nur stumme Bilder (ein Elektronikladen in der Innenstadt ließ einmal das Heimvideo - ich vermute auf Laserdisk - im Schaufester laufen), Bücher (meine Mutter schenkte mir zu Weihnachten die Romanfassung - über das Phänomen "Roman zum Film" wird noch gesondert zu sprechen sein - in der schwarzen Sammelband-Taschenbuchausgabe), und das allseits beliebte Spielzeug von Kenner (erinnert sich noch jemand an den Ausverkauf bei Karstadt? Einemarkfuffzig für eine Figur - das Paradies). Und nicht zu vergessen: Die Hörspiel-Fassung, die ein Freund auf Kassette besaß und die ich rauf und runter hörte. Damit hatte sich in meinem Kopf ein fast vollständiges - und erstaunlich akkurates - Bild der Trilogie festgesetzt.
Eine weitere wichtige Quelle zum Inhalt von Filmen, die ich nicht selbst sehen konnte oder durfte, waren Berichte von Freuden, Klassenkameraden und besonders auch meinen etwas älteren Cousins. Das gilt nicht nur für den besagten Krieg der Sterne. Einen Sonderfall stellen hier Horrorfilme dar: Ich weiß noch, wie ich mich vor Tanz der Teufel und anderen Schockern gruselte, weil die reißerischen Nacherzählungen anderer Kinder (offenbar mit Zugang zu Videorekordern) in meiner Fantasie monströsere Formen annahmen als sie wohl auf der Leinwand oder der Kathodenstrahlröhre je wirklich zeigten. Ich bin mir sicher, dass mich dieses Motiv hier noch öfter beschäftigen wird.
Der 1983er Action-Streifen Das fliegende Auge - im Original mit viel mehr Eighties-Coolness: Blue Thunder - ist oberflächlich betrachtet eher weniger gruselig. Aber auch hier war es in meiner Erinnerung ein Cousin, der mir voller Begeisterung von dem mit futuristischer Kampf- und Überwachungstechnik ausgestatteten Hubschrauber erzählte und mir zum Teil erstaunlich klare Bilder ins Gedächtnis pflanzte.
Das machte auf einen technikbegeisterten Zehnjährigen Eindruck, klar. Damit verbunden ist auch ein Gefühl milder Enttäuschung, dass es sich nicht, wie ich wohl anfangs annahm, um einen vollautomatischen Robo-Heli handelte, der den Protagonisten nach North by Northwest Manier durch die Nacht hetzte - mit anderen Worten weniger Science Fiction als erhofft*. Eigentlich erstaunlich, habe ich doch den Film jetzt 35 Jahre später zum ersten Mal wirklich gesehen. Ein ziemlich deutliches und zutreffendes Bild hatte ich - wie gesagt, nur anhand einer kurzen Nacherzählung - von der Szene am Schluss, in der Roy Scheider - SPOILER! - den Hubschrauber des Nachts auf einer Bahntrasse landet und dieser vom anrollenden Frachtzug in die ewigen Jagdgründe geschickt wird.
Ein computerisierter Kampfhubschrauber im Polizeieinsatz. Mehr 80er kann ein Thriller kaum werden. Die Verliebtheit dieses Jahrzehnts in schnelle Maschinen - Helikopter, Jets, Autos, Motorräder - einerseits und den unbegrenzten neuen Möglichkeiten der Elektronik andererseits ist kaum zu überschätzen. Nicht zu vergessen die Kombination aus beidem - man denke an Airwolf, Knight Rider, Street Hawk, D.A.R.Y.L. Blue Thunder ist hier dankenswerter Weise (sorry, 10jähriges Ich) weit weniger campy als diese Beispiele. Mit dem Sujet der totalen Überwachung durch einen schwer bewaffneten Polizeistaat ist er sogar recht weitsichtig.
In erster Linie, da gibt es kein Vertun, haben wir es hier mit einem Technothriller zu tun. Vor den atemloses Action-Sequenzen, die dem Film eine verdiente Oscar-Nominierung in der Kategorie Schnitt einbrachten, bleibt die Warnung vor dem Großen Bruder oberflächlich, mehr Stilmittel als echte Auseinandersetzung mit dem Komplex Macht, Verantwortung und Missbrauch. In diesem Zusammenhang ist mit interessanterweise erst beim nachträglichen Nachdenken über das Gesehene aufgefallen, dass es sich bei der Spanneraktion nicht (nur) um einen unangenehmen Fremdkörper (no pun intended) handelt, sondern um eine eigentlich ziemlich offensichtliche Schlüsselszene:
Der alte Pilot und sein blutjunger neuer Partner beobachten vom Hubschrauber aus eine Frau, die in ihrem Wohnzimmer Yogaübungen praktiziert. Splitter- warum auch immer -fasernackt. So wird der Filmzuschauer gleichsam durch die Augen der Polizisten mit zum Voyeur gemacht. Und das auch zunächst recht willig, da die Inszenierung ästhetisch wie athletisch makellos und nicht nur (für ihre Zeit) recht freizügig ist, sondern auch humorig daherkommt wie ein Pennälerstreich (Eis am Stil lässt grüßen). Dass das Ganze aber vielmehr ein schwerwiegender Machtmissbrauch und Eingriff in die intimste Sphäre eines Menschen - noch dazu verübt von Vertretern der Staatsmacht - ist, mag '83 noch als Treppenwitz durchgegangen sein. Heute müsste man angesichts leider immer noch aktueller Debatten weit hinter dem Mond leben, um sich nicht angesichts solch sexistischen und übergriffigen Verhaltens mindestens zu winden (und gerne auch selbst ertappt zu fühlen). Aber hier in der Prä- #Aufschrei Ära lacht Mann noch über diesen "harmlosen Spaß" und merkt womöglich erst zum Ende hin, dass unsere Helden sich hier im Grunde des gleichen Vergehens schuldig machen, dass sie den Verschwörern um den wie immer genial ekligen McDowell (Frage ans Publikum: was macht eigentlich ein Brite in Vietnam?) zu vereiteln suchen.
Fazit: 9 von 10 Rotorblättern!
*Das geht mir im Übrigen bis heute so. Wenn eine Geschichte, ob Buch, Film oder Videospiel, kein ausreichend ausgeprägtes Element des Fantastischen (SciFi, Fantasy, Abenteuer, Horror...) beinhaltet, je näher, mit anderen Worten, sie an der alltäglichen Realität angesiedelt ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass sie meine Aufmerksamkeit wird fesseln können.